EINLEITUNG
Das Projekt "Badehäuschen" vermittelt Ferienstimmung in der Parkanlage an der Murg.
Klappliegestühle und Sonnenschirme, Kinderlachen, Ballspiele, erfrischendes Nass und etwas Sonne lassen sich vor der Kulisse der kleinen Giebelhäuschen geniessen.
Die nördliche Badetradition - in der Belle Époque mit ihren archetypischen Strandhäuschen entstanden und zu hunderten aneinandergereiht - ist vielerorts der Inbegriff des Sommers. So dienen diese Badehäuschen in Nordfrankreich, England, Schweden oder Dänemark dem Erfrischen und Erholen in der Natur und am Wasser. Sie erfüllen weit mehr als den reinen Zweck fürs Schwimmen oder Baden. Sie sind sozialer Treffpunkt und dienen dem gesellschaftlichen Austausch.
Diese Qualitäten macht sich das Projekt "Badehäuschen" zu eigen.
LAGE
Das neue Gebäudeensemble des Parkbads rückt näher an die westliche Parzellengrenze und schafft so einen Gewinn an Parkfläche. Die Funktionseinheiten "Nebenräume", "Garderobentrakt", "Kasse" und "Bistro" bilden eigene Volumen, welche zueinander gestaffelt aber mit einem grossen Dach zu einer Einheit verbunden sind. Diese Grossform bildet eine Schauseite zum Jakobsweg und einem halboffenen Hof zum Parkbad. Der Eingang als offenes grosses Häuschen markiert den Übergang zum Bade- und Freizeiterlebnis. Einem Fotoapparat gleich, fängt er den Blick auf das Badegeschehen ein und öffnet ihn nach dem Durchschreiten des Durchgangs. Das Volumen des Bistros folgt innerhalb des rigiden Dachform dem Jakobsweg und zeichnet so seine besondere Stellung - dem Bad zugeordnet aber auch für Aussenstehende zugänglich - aus.
FUSSABDRUCK UND ETAPPIERBARKEIT
Die Zusammenfassung der Funktionen in grosse Baukörper schafft kurze Wege und damit nebst der effizienten Organisation auch einen verkleinerten Fussabdruck als im Bestand.
Zudem ermöglicht die geplante Anordnung der Baukörper eine Etappierung bis maximal vier Etappen, sollten Rahmenbedingungen dies nötigen machen oder Anforderungen sich verändern, ohne dabei den sommerlichen Badbetrieb zu beeinträchtigen.
FUNKTIONEN
Die funktionale und übersichtliche Gliederung macht die Orientierung und betriebliche Organisation leicht.
Um den bestehenden Technikraum angeordnet befinden sich die Nebenräume, welche über eine rückseitige LKW-Anlieferung verfügen. An der Schnittstelle zum Garderoben- und WC-Trakt liegen die Mietgarderoben und die beiden Schülergarderoben. Ein Nebeneingang schafft hier Zugang für Schulschwimmen oder Vereinsveranstaltungen ausserhalb der Badöffnungszeiten.
Duschen und Schliessfächer sind im Garderobentrakt direkt beim Eingangsbereich organisiert und bilden einen funktionalen Ablauf aus "duschen - Kleider holen- anziehen".
Auf die bestehende Wegachse zum Schwimmbecken ausgerichtet liegt der überdachte Haupteingang mit Kasse, Aufenthalts- und 1. Hilferaum. Ein daran anschliessender, halboffener Hof dient der Verteilung der Besucher: Nach Norden zu den Garderoben, nach Süden zum Bistro und geradeaus zum Park und Pool.
Die unmittelbare Lage des IV-WCs beim Bistro ermöglicht eine Nutzung auch ausserhalb der Badesaison und bietet so einfache und ökonomische Bedingungen für einen verlängerten Gastrobetrieb. Dem überdachten Terrassenbereich liegt eine kreisrunde Terrasse des Bistros vorgelagert. Von ihr aus schweifen die Blicke in den baumbestandenen Park.
Das neue Parkbad kann aber weit mehr. Wie wäre es mit einer Nutzung als:
Openair-Kinosaal unter dem grossen gegiebelten Eingang?
Eine Herbstsauna?
Ein Ort für Yogaklassen oder Aquafit-Stunden?
Ein Bistro mit sonnenverwöhnter Terrasse oder mit Adventspunsch und Kürbismarkt?
Ein Solarkraftwerk?
Ein Veranstaltungsort für Grillworkshops?
Eine Kleider- oder Velobörse?
Kurz, das Parkbad kann zu einem Ort für die ganze Bevölkerung werden - vielleicht sogar ausserhalb der Badesaison! Die aneinander gereihten "Badehäuschen" bilden mit ihrer heiteren Grossform die Kulisse für all diese möglichen Aktivitäten.
FASSADE UND STRUKTUR
Die Fassade bestehend aus den aneinandergereihten "Badehäuschen", dem typischen Motiv der nördlichen Badekultur und ist mit ihrer einfachen, lasierten Holzfassade simpel und zweckmässig.
Zur Hofseite schützt eine umlaufende Veranda mit vorgelagerten Stützen Gäste und Fassade gleichermassen vor den Witterungseinflüssen. Zur Strassenseite sind die Stützen direkt in der Fassadenebene eingebunden und tragen den Dachüberstand.
Die statische Struktur des Gebäudes beruht auf dem Prinzip von Stützen und Scheiben für Wände und dem Falttragwerk für das Dach: Die Faltung erhöht die Steifigkeit der Materialien und erzeugt statische Höhe, welche sich positiv auf Spannweite und Auskragung auswirkt.
Dreiecksprismen sind dabei die Grundeinheiten des Falttragwerks: Zwei dünne Holzwerkstoffplatten (6 cm dick) bilden die Dachflächen; die untere Seite ist mit Hilfe von Zugstangen aufgelöst und offen. Der geringe Achsabstand von drei Metern (resp. 1.80 m Schenkellänge) ermöglicht die Verwendung von materialoptimierten Holzplatten und schafft Einsparungen in Material und Baukosten.
Die Zugstangen dienen der Aufnahme der Querkräfte. So müssen nur die Vertikallasten, die aus der Konstruktion resultieren, über die Innenwände und Stützen abgefangen werden. Horizontallasten aus Wind oder Erdbeben werden über die Fassaden abgeleitet.
Eine sichtbare Fügung der Elemente und das Auflösen in kleinere Bauteile wie z.B. bei den Doppelstützen ermöglichen den einfachen Austausch und Unterhalt der einzelnen Bauteile. So können bei Bedarf einzelne Bretter der Stülpschalung einfach ersetzt werden oder es lassen sich Kanthölzer der Stützen ohne grosse statische Ersatzmassnahmen austauschen.
FUNKTIONALE DACHFORM
Die aneinandergereihten Giebeldächer leiten sich nicht primär aus dem Bild der Badehäuschen ab. Ihre Geometrie verdanken sie vielmehr einer nutzugsspezifischen Überlegung: Die nach Süden ausgerichteten Dachflächen weisen mit 35° den idealen Neigungswinkel für Photovoltaikmodule auf. Der Winkel entspricht dem mittleren Sonnenstand während der Badesaison und ermöglicht bei einer Installation der PV-Modulen eine optimale Eigenversorgung mit Solarstrom. Auch lassen sich Flächen für die Warmwasseraufbereitung ausrüsten.
Die nordseitigen Dachflächen sind mit Lichtwellplatten (Scobalit) eingedeckt und weisen Ausschnitte in den Holzwerkstoffplatten (Falttragwerk) auf. So gelangt diffuses Nordlicht zur Belichtung in die darunterliegenden Räume.
Art | Projektwettbewerb |
Bauherr | Genossenschaft Parkbad |
Projektteam | rogerhuwyler architekten, HPP Architekten GmbH |
Wettbewerb selektiv | 08/2022 - 01/2023 |