GORDON VERT
Die Erweiterung des Campus der Informatik gestützten Wissenschaften sowie der Universita Svizzera Italiana bildet ein neuer Knoten im Stadtgefüge. In einer Kette von öffentlichen Sportanlagen und Schulbauten ergänzt der neue Campus den bestehenden „Boulevard“ entlang des Flusses Cassarate, den sogenannten Parco fulviale (Fussgängerverbindung). Seine Aufweitung zum Campusgelände bringt den Grünraum in unterschiedlicher Form in den städtischen Kontext. Die Parkflächen vermischen und überlagern sich mit den neuen Universitätsbauten. Die Bespielung dieses „Gordon vert“ mit öffentlichen Funktionen (Cafe & Mensa, Bibliothek, Kinderhort, Sport/Fitness & Ausstellung) führt zu einer stärkeren Belebung und Attraktivität des Parco fulviale.
Anbindung zum See
Die Aufwertung des linken Flussufers soll über das Planungsgelände hinaus - vom Lido im Süden mit der Scuola Musicale di Lugano, dem Museo Cantonale di Storia Naturale und dem Schwimmbad, bis zu den Sportanlagen Cornareto im Norden - weitergeführt und gestärkt werden. Radwege und zum Flanieren einladende Fussgängerboulevards bieten ein Naherholungsgebiet für Outdoor- und Freizeitaktivitäten mit Orten zum Verweilen.
Erschliessung
Die neue Verkehrsanbindung (zukünftige Buslinie) ermöglicht die Erschliessung des Campus sowie der Scuola Sartoria und Scuola Media durch öffentliche Verkehrsmittel. Die bestehende Buslinie entlang der Via Santa wird durch das Zweitangebot entlastet. Das Verschieben der Bushaltestelle „Madonetta/ Via Santa“ nach Westen auf die Höhe des neuen Campuszugangs führt die vom Zentrum aus kommenden Benützer (Studierende, Lehrpersonal und Besucher) direkt auf das Campusgelände und entwirrt den Verkehrs- und Besucherstrom. Eine grosszügige Fussgängerbrücke schafft Anbindung ans bestehende Universitätsgelände im Südwesten. Eine zusätzliche Buslinie kann, wenn nötig während den Stosszeiten (rush hour) direkt ins Zentrum des neuen Campus, durch die Verlängerung der Via Bosciara geführt werden. Ansonsten bleibt der Campus verkehrsfrei.
NACHBARSCHAFT
Der neue Campus schafft mit seinen differenzierten Aussenräumen und der volumetrischen Ausformulierung einen Kontrapunkt zum historischen Stadtkern. Die einzelnen Gebäudeteile der Universitätsbauten nehmen den Massstab der Umgebung auf. Durch Komprimieren und Verzahnen dieser "gefundenen" Volumina wird eine lokale Verdichtung des Stadtgefüges erreicht. Die so proklamierte Zentrumsfunktion wirkt Identitätsstiftend in der heterogenen Umgebung.
Offenheit & Transparenz
Die Bauten des Campusgeländes vermitteln Offenheit nach aussen. Sie suchen die Kommunikation mit der Umgebung und sollen durchlässig und einsichtbar erscheinen. Dies wird durch eine einfache architektonische Massnahme erreicht: Einschnitte und Rücksprünge (aus obiger Kompression hervorgegangen) vermeiden eine monumentale Architektur und schaffen eine (Ab-)Lesbarkeit der inneren Funktionen. Als Terrassenlandschaft bildet dieser Typus eine Gegenthese zum weitverbreiteten Hoftypus (Blockrand) mit seinen negativen Konnotationen wie Ausgrenzung, Introvertiertheit und Unnahbarkeit.
PARZELLE
Eigenständigkeit & Flexibilität
Das die ganze Parzelle überziehende Grundraster baut auf der Zahlenreihe des italienischen Mathematikers Leonardo Fibonacci auf (1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21,...). Dieses modulare System erlaubt nötige Differenzierungen und verbindet gleichzeitig auf Erdgeschossniveau die unterschiedlichen Gebäudekörper zu einem neuen Ganzen. Die aus dieser Zahlenfolge entwickelten Raumproportionen führen zu einer "harmonischen" Verwandtschaft der einzelnen Gebäude, deren Fassaden und Grundrisse untereinander. Die Flexibilität innerhalb dieses Rasters lässt eine Variation der programmatischen Dichte zu:
Die Fluss-Promenade mit ihren freien Körpern bleibt ein System von "Gebäuden im Grünen" (mit vorwiegend publikumsfrequentierten Nutzungen). Die Gebäudehöhen bleiben tief. Auf der gegenüberliegenden Seite der Via Boscaria wird das bauliche Programm des "institutionellen Lernens und Forschens" konzentriert: Eine dichtere und höheren Bebauung resultiert.
Gliederung
Diese klare funktionale Trennung ermöglicht eine einfache Orientierung auf dem Campus-Areal: Westlich der Via Boscaria liegen die nutzungsübergreifenden Funktionen, südöstlich davon - in unmittelbarer Nähe zur bestehenden Universität - die Erweiterungbauten der USI (Universita della Svizzera italiana) und im Norden die neuen Räumlichkeiten der SUPSI (Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana).
Der Aufbau spiegelt die Systematik des Lernens wider: Interdisziplinär und kommunikativ, werden Programmgruppen durch räumliche Verbindungen zu grösseren Einheiten (USI + Start Up; SUPSI + DTI, Spazzi comuni) zusammengefasst. Begrenzt durch diese drei Gebäudeeinheiten bildet sich ein städtischer Platz im Zentrum.
Dachgärten nehmen die Grünflächen des Parco fulviale auf und bieten individualisierten Aussenraum, Sicht- und Sonnenschutz im Sommer.
GEBÄUDE
Die Via Santa mit ihrer vorgeschriebenen Fassadenflucht fungiert als Bezugslinie für das areal-überspannende Fibonacci-Raster. Dem Raster folgend wachsen die Sockel der neuen Gebäude rechtwinklig zueinander aus dem leicht terrassierten Gelände. Die Erdgeschossfassaden nähern sich moduliert der Via Boscaria, welche bewusst mit dem vorhandenen Raster bricht.
Während die gleichartige Ausrichtung im Erdgeschosse die drei Körper zusammen bindet, reagieren die Obergeschosse jeweils individuell auf die umgebenden Bauten und Strassenräume. Das Raster wird hier zur Umgebungslinie gedreht. Diese Verdrehung - im Innern ablesbar an den Kernen - schafft äusserlich eine bewusste Verortung. Die entstehenden Scherflächen erhöhen die Durchlässigkeit des Gebäudes und ermöglichen das Eindringen von Licht, Luft und Sonne als Postulate der Moderne auf sinnliche Weise. Sämtliche Büros und Vortragssäle sind mit natürlichem, direktem Tageslicht ausgestattet.
SUPSI
Der Baukörper der "scuola universitaria di professione Svizzera italiana" (SUPSI) weist nebst einer geschossweisen auch eine vertikale Teilung auf. Diese zeichnet sich funktional durch zwei unabhängige Vertikalerschliessungen (Treppen & Lifte) aus und ermöglicht eine hohe Flexibilität.
Erdgeschoss & 1.Obergeschoss teilen sich Formazione Master & ICIMSI: Hier befinden sich grossräumige Aulen und Laboratorien mit Schwerlast. Die "Aula teoria grande" ist als grösster und höchster Körper leicht im Boden eingesunken. Für Zuhörer ist sie bequem über Rampen erreichbar.
Im 2.Obergeschoss kommen ergänzend die Räumlichkeiten der Abteilung SMF hinzu. Das 3.Obergeschoss wird vollständig durch die Abteilung ISEA belegt. Auch hier herrscht die übergeordnete Funktionsverteilung: Grosslaboratorien befinden sich tendenziell im westlichen Gebäuderiegel; Büros und kleinere Räumeinheiten ordnen sich eher entlang der feingliedrigen Riegel im Osten. Im Dachgeschoss findet sich als Abschluss die Direzione, eine Caffetteria mit Ausblick und die Abteilung ISIN. Die Fassade reflektiert durch die nutzungsbedingt unterschiedlichen Riegelbreiten das innere Programm.
USI, IDSIA & CENTRO START UP
Das überhöhte Erdgeschoss mit den Aulen bildet eine unlaufende Halle, an welche die studentischen Aufenthaltsbereiche unmittelbar anschliessen. Im Zentrum reihen sich unterschiedlich grosse Theoriesäle. Durch den Wechsel zwischen hohen und niedrigen Aulen kann ein umlaufendes Oblichtband die von der Fassade abgerückten Säle belichten. Die Decken der grossen Vorlesungssäle dienen im 1. Obergeschoss als Auflager für die versetzt angeordneten Büro- und Meetingspangen, die sich teilweise bis ins 4. Obergeschoss staffeln. Jede dieser Bürospangen ist an eine eigene Vertikalerschliessung angebunden. Der übergeordnete Erschliessungsturm mit Treppen und Liften befindet sich an der Ostseite und funktioniert zugleich als Gelenk zu den nördlich gelegenen Labors.
IDSIA und "Centro start up" bilden über den abgesenkten kleineren Aulen ein Sockelgeschoss mit institutsübergeordneten Funktionen aus dem sich die Büros der beiden Abteilungen als weitere verzahnte Spangen entwickeln.
Das Parking ist in das Untergeschoss des Universitätsgebäudes integriert und ermöglicht über eine direkte Anbindung zum Campusgelände. Die Zufahrtsrampen befinden sich an der Ostseite entlang der Viale Santa. Dadurch wird die Via Santa nicht mit einer zusätzlichen Abzweigung belastet. Die Anfahrt erfolgt über die Via Merlina auf Höhe der Via G.B. Dominione.
SPAZZI IN COMUNE
Die heterogenen und grossflächigen Nutzungen der "Spazzi comuni", welche teilweise von der Öffentlichkeit genutzt werden können, liegen zusammengefasst im langgestreckten Baukörper entlang der Via Boscaria. Dieser pavillonartige Keil schiebt sich zwischen den Parco fulviale und das städtische Campusgelände.
Aufgrund seiner sowohl zum Park als auch zur Strasse orientierten Funktionen vermittelt er eher, als dass er trennend wirkt. Die doppelte Caffetteria an seiner Südspitze ist eine Willkommensgeste für Gäste und Campusbenutzer. Aussensitzplätze und Schatten spendende Grüninseln laden zur Benutzung ein. Die Sporthallen sind übereinandergestapelt zwischen die Caffetteria und die Mensa mit ihrem Foyer geschoben und ebenerdig erschlossen. Über den Hallen liegt als aufgesetzter Quader der eingeschossige Kinderhort. Dieser nutzt die freien Dachflächen als sichere Spielflächen bei schönem Wetter. Im Erdgeschoss folgt das nördlich gelegene Foyer. Von hier aus erreicht man über eine grosse Treppe den Ausstellungsbereich mit dahinterliegender Bibliothek oder ein Geschoss höher das Auditorium. Gut sichtbar in einem Kubus zusammengefasst und auf den flachen Pavillon gesetzt, verweisen sie auf ihre übergeordnete Stellung innerhalb des Campus. Die Mensa schliesst linear an das Foyer an. Mögliche Aussenbestuhlung kann sowohl zum "Boulevard" entlang des Flusses als auch zur "Piazza grande" erfolgen.
Im Anschluss an den 300 Personen fassenden Speisesaal liegt die Küche als klar strukturierter Riegel. Er bildet den Abschluss des Pavillons und nimmt die benötigten Lieferanten- und Personalzugänge auf.
Art | offener Wettbewerb |
Bauherr | Universita Svizzera Italiana |
Projektteam | roger.huwyler dipl.arch.eth, Adriana Müller, Zürich |
Planung | 2011 |